PRESSESTIMMEN:
"Als "Juden-Aquarium" bezeichneten die Nazis den rundum verglasten Alsterpavillon, in dem noch bis Ende der 1930er Jahre die verpönte "Neger-Musik" gespielt wurde. Dort trafen sich auch die "Swing Kids" - Anhänger der als undeutsch geltenden Jazzmusik.
Von den Swing-Fans gab es in Hamburg besonders viele, der braune Musik-Einheitsbrei war ihnen verhasst, sie liebten Individualität, Count Basie und zudem die britische Lebensart - der stets geschlossen über dem Arm getragene Regenschirm war ihr Erkennungszeichen.
"Der Umbrella Code" vom Hamburger Theater Fata Morgana wurde am Wochenende im Monsun-Theater begeistert aufgenommen. Thomas Esser, Hartmut Fiegen und Andrea zum Felde vermitteln unter der Regie von Karl-Heinz Ahlers, das von Freiheitsdurst bestimmte Lebensgefühl - als Hans, Freddy und Marie singen, tanzen und spielen sie sich durch ein Leben auf der Überholspur - aber immer mit der Angst vor Entdeckung. Trotz des offiziellen Verbots hören die drei ihre Musik heimlich. Ihr stiller Protest gegen die NS-Diktatur schlägt in öffentlichen Widerstand um, als ein Mitglied der Swing-Kids einige Vertreter der Hitler-Jugend bepinkelt...
Das 70-minütige Theaterstück ist eine eine kurzweilige Mischung aus Hamburger Geschichte, Musik und rasantem Schauspiel. Zur Premiere kam überraschend eine Dame, die sich als ehemaliges Swing-Kid outete und bestätigte: Ja, genau so sei es gewesen!" (Hamburger Morgenpost, 6.06.2016)
PRESSESTIMMEN:
„Zugegeben: Gemessen an den Verbrechen der Nazis wiegen Modesünden ein Leichtes. Und doch: Hans will es nicht in den Kopf: „Kackbraune Hemden und dazu diese kurzen Hosen“, seufzt er. „Das hat nichts mit Stil zu tun.“ Tja, die Swing-Kids der Hansestadt Hamburg: Marie, Freddy und Hans wissen, wie man sich kleidet. Das Hemd offen, die Haarspitzen über den Ohren. Und das Wichtigste: immer einen Schirm dabei. Geschlossen über dem Arm getragen. (...) „Der Umbrella Code“, ein Jugendtheaterstück ab 12 Jahren über Rebellion und Repression im Dritten Reich, ist wie gemacht für Theater Fata Morgana. (...) Die Helden damals hießen Duke Ellington und Louis Armstrong. Die neusten Scheiben waren so begehrt wie Schnaps auf dem Schnapsmarkt. Und wer wie Hans einen tragbaren Plattenspieler zuhause hatte, der konnte Widerstand leisten – und gleichzeitig hinreißend lässig sein. Thomas Esser spielt diesen Hans, „das wandelnde Jazz-Lexikon“, mit dem Selbstverständnis des Musik-Enthusiasten. Fliederfarbenes Hemd, Koteletten, Hornbrille – todschick und hüftsteif. Esser wechselt zwischen seinen Rollen leichtfüßig hin und her. Mal gibt er den Barkeeper im Alsterpavillon (...) und dann, gegen Ende des Stücks – spielt er einen machtbesoffenen Gestapo-Mann. So überzeugend, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt (...). Trotz allem, und das überrascht bei diesem Stoff, das Publikum krümmt sich über weite Strecken vor Lachen. Das liegt daran, dass Theater Fata Morgana die nationalsozialistische Bewegung mit Charlie-Chaplin-Slapstick aufmarschieren lassen. „Der Umbrella Code“ ist das Schelmenstück einer kleinen, verschworenen Gemeinschaft. Dafür steht nicht zuletzt Hartmut Fiegen als Freddy – Schwarzhändler, Schnapsbrenner und übermütiger Tänzer. Ein Widerspruchsgeist, der nicht einmal davor zurückschreckt, auf die Hitler-Jugend zu scheißen. Und das im Wortsinne. Marie, seine Tanzpartnerin, spielt Andrea zum Felde als Swing-Cat – mit großen Augen, Bubikopf und noch größerer Stimme. Wenn zum Felde, der unvergleichlichen Ivie Anderson nachtastend, „It Don´t Mean a Thing“ (If It Ain´t Got That Swing“) von Duke Ellington singt, dann ist schon alles gesagt. Es bedeutet nichts, wenn da kein Swing ist. Ja, die Helden in diesem Jugendstück haben, was Sigmund Freud einst forderte: eine Allergie gegen den Totalitarismus. Oder anders ausgedrückt: Geschmack. Deshalb gibt es durchaus Gründe, dass Katharina Philipp die 30er-Jahre in Bühnenbild und Kostümen fast naturalistisch nachzeichnet. Hier lassen sich Figuren über den offenen Hemdknopf, den breiten Mantelkragen, den tragbaren Plattenspieler charakterisieren. So wird in diesem Jugendstück Geschichte ganz beiläufig zum Leben erweckt. Aber trotz dieser Akribie: „Der Umbrella Code“ bleibt natürlich ein Märchen des Widerstands. Nur wenige waren in dieser Zeit so tänzerisch, elegant und standfest wie Marie, Freddy und Hans. Noch weniger überlebten ihren Mut. Und doch, das ist die Pointe dieses Theaterabends, der Swing überdauerte das Tausendjährige Reich spielend. Jugendlich, großzügig, voller Übermut – auch das hat viel mit Stil zu tun.“
(Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 18.04.2015)