FUNNY MONEY

Theater für Niedersachsen (TfN) Hildesheim
FUNNY MONEY!
Komödie von Ray Cooney. Deutsch von Horst Willems

Henry Perkins verwechselt in der U-Bahn seinen Aktenkoffer mit dem eines Fremden und ist plötzlich Besitzer von 2,5 Millionen Pfund. Und was macht man mit so viel Geld? Ganz klar: Man macht sich aus dem Staub! Doch so einfach ist das nicht - und so schickt ihm der britische Boulevardspezialist Ray Cooney allerhand unliebsame Gäste ins Haus: Betty und Vic Johnson, ein befreundetes Paar, Detective Davenport, der viele Fragen stellt und dem Henry antwortet – in bar…, einen nervenden Taxifahrer, der die Welt nicht mehr versteht und schließlich Sergeant Slater. Dieser hat einen Toten aus der Themse gefischt und anhand der Papiere in dessen Aktenkoffer als Henry Perkins identifiziert. Das Chaos steigert sich mit jeder haarsträubenden Situation, um die sich die Komödienschraube weiterdreht. Mit akribischer Genauigkeit konstruiert Ray Cooney eine seiner absurd erscheinenden, aber mit zwingender Logik ablaufenden nervenaufreibend verrückten Komödien, bei denen er die Figuren im atemberaubenden Tempo von einer Notlüge in die nächste, von einer Klemme in die nächste treibt.

Premiere: 3. September 2016 im großen Haus, Stadttheater Hildesheim (TFN)

Inszenierung: Karl-Heinz Ahlers
Bühne: Andrea Jensen
Kostüme: Eva-Maria Huke
Dramaturgie: Astrid Reibstein
Ensemble:
Jean Perkins                                  Simone Mende
Henry Perkins                              Gotthard Hauschild
Bill, der Taxifahrer                      Thomas Strecker
Detective Sergeant Davenport   Moritz Nikolaus Koch
Detective Sergeant Slater            Marek Egert
Betty Johnson                               Michaela Allendorf
Vic Johnson                                   Dennis Habermehl
Ein Fußgänger/Mr. Big               Heinrich Maas


Fotos: Falk Traubenberg
Kritiken: 
Hildesheimer Allgemeine Zeitung 04.09.2016 von Martina Prante

"Wo gibt´s denn so was? Da findet einer `ne Menge Moneten, und geht damit nicht zur Polizei, sondern behält sie für sich. Während es im Drama Proteste hagelt, wenn auf der Bühne eine Vergewaltigung auch nur angedeutet wird, dürfen hier vermeintliche sexuelle Handlungen unterschiedlichster Art sogar mehrfach genüsslich wiederholt werden – und das Publikum lacht. Und zu guter Letzt wird ein Wohnzimmer regelrecht von Revolverkugeln bombardiert, aber die agierenden Personen kommen – im Gegensatz zu den Wänden – ohne ein Schussloch davon. Wenn Moral, Scham und Logik ausgeklammert werden dürfen, dann hat die Komödie ihre regeln gesetzt. Ray Cooney ist ein Meister seines Fachs: Krude Story trifft mit wirbelndem Wortwitz, sinnfreier Action und in der Regel vielen klappernden Türen direkt die Stelle im Gehirn, die ein Lachen ohne jeden Tiefgang erlaubt. Wo man sich freut, dass trotz aller Verwicklungen am Ende die Geschichte gut ausgeht. Auch oder grade weil das im normalen Leben unwahrscheinlich wäre. Bitte Kopf ausschalten Im Theater für Niedersachsen trifft der englische Autor seit Jahren auf Karl-Heinz Ahlers. In diesem Fall mit der Komödie „Funny Money“ – übersetzt soviel wie Falschgeld, Spielgeld oder Schwarzgeld. Aber die Mechanismen der Komödie sind zeitlos und das amüsierbereite Publikum kann sich bei der Premiere im Stadttheater zwei Stunden über die aberwitzigen Verwicklungen und das sich ausbreitende Lügengespinst freuen. Und tut es auch. Wer sich nicht amüsiert, hat den Kopf nicht ausgeschaltet. Karl-Heinz Ahlers besitzt ein sicheres Händchen dafür, die gut gebaute Farce – normale Menschen geraten in ungewöhnliche Situationen – mit Tempo und perfektem Timing meistens rasant in Szene zu setzen. Ahlers bedient die Vorlage, ohne sie über zu strapazieren. Auch nimmt er die Charaktere ernst, was den Kontrast zu den immer verrückter werdenden Ereignissen verstärkt. Gotthard Hauschild ist der nette Buchhalter Henry Perkins, der seine Chance sieht, mit 2,5 Millionen Pfund aus der Tretmühle heraus zu kommen. Und alles dafür tut, dass es so bleibt. Hauschild meistert Rolle und Textmasse mit Erfahrung und Charme. Simone Mende, als seine Ehefrau, die aufgrund der Ereignisse zur Flasche greift, muss ein bisschen viele spitze Schreie ausstoßen. Aber die stockbesoffene Alte spielt sie lebensecht. Es lebe das Klischee Tief in die Klischeekiste greift Ahlers mit der auf Vamp gestylten Betty Johnson, die Michaela Allendorf pfiffig und lebendig ausstattet. Gatte Vic ist in Gestalt von Dennis Habermehl, ein Yuppie, der nicht mal die Miene verzieht, als es zum Frauentausch kommt. Eine wunderbare Lachnummer liefert Moritz Nikolaus Koch als bestechlicher, ungepflegter Detective Sergeant Davenport. Seinen Kontrapart übernimmt Marek Egert, mit dem geschniegeltem, überkorrekten Detective Sergeant Slater, der herrlich vorführt, wie er von dem Tohuwabohu in den Wahnsinn getrieben wird. Verspielt frisch: Thomas Strecker als jugendlicher Taxifahrer. Hut ab vor der schauspielerischen Leistung, alles so leicht aussehen zu lassen. Das klassisch-moderne englische Wohnzimmer der Perkins hat Andrea Jensen entworfen. Das hellgrüne Tapetenflair erdet das Chaos, in das die Truppe gerät – um auf die Sonnenseite des Lebens – in diesem Fall Barcelona – zu gelangen. Es sei ihnen vergönnt. "
harzerkritiker.blogspot.de    7. Februar 2017

„Der Tag, an dem Jean zu trinken anfing.“
TfN dreht in „Funny Money“ fleißig an der Spirale des Wahnsinns .
Es ist eine Plattitüde, aber dennoch wahr. Man muss schon verdammt gut sein, um eine überdrehte Komödie davor zu bewahren, in Klamauk zu enden. Mit „Funny Money“ beweist das Theater für Niedersachsen, dass es genau das kann. In der Farce von Ray Cooney schimmern immer wieder Realität und echte Typen durch. Henry Perkins scheint ein wahrer Glückspilz zu sein. An seinem Geburtstag verwechselt der Buchhalter auf dem Heimweg in der U-Bahn seinen Aktenkoffer mit dem eines Unbekannten. Im Pub trinkt er sich nicht nur Mut an sondern überprüft auch den Inhalt des Koffers: 2,5 Millionen Pfund, wohl zweifelhafter Herkunft. Er fasst einen wichtigen Entschluss: Geburtstagsessen absagen, Frau einpacken, ab in den Süden und ein neues Leben beginnen. Doch er hat die Rechnung ohne seine Frau, die Freunde, zwei korrupte Polizisten und einen überdrehten Taxifahrer gemacht. Ray Cooney bezeichnet seine Stücke gelegentlich als Farce. Ganz normale Menschen geraten in Situationen, die sie nicht bewältigen können. Die ist von Anfang an klar und deswegen sind Cooneys Werke auf eine Art eigentlich Tragödien, bei denen man sehr viel lachen kann, lachen muss. Die Schraube des Wahnsinns dreht sich von Minute zu Minute schneller und das Dickicht der Verstrickungen wird dichter. Immer mehr Personen kommen ins Spiel und die Kommunikation findet nur noch knapp vor der Grenze zum Schreien statt. Es reicht ein Blick und man ist mittendrin in der Geschichte, mittendrin in den Suburbs, in den Schlafstätten der Mittelschicht. Das Bühnenbild zeigt ein Eigenheim, dass kaum britischer sein könnte. Kräftige Farben an den Wänden, eingerahmt in weiß, ein Kamin mit künstlichem Feuer und eine Ausstattung irgendwo zwischen Swinging Sixties und der Jetztzeit. Andrea Jensen hat hier sehr gute Arbeit geleistet. Wenige Augenblicke reichen, um zu verstehen, welche Ordnung hier herrscht. Jean Perkins (Simone Mende) bereitet das Heim für die Wiederkehr des Herren (Gotthard Hauschild) vor. Als sie zum wiederholten Mal die Kerzenständer auf dem Kaminsims zurechtrückt, müssen einige Zuschauerinnen bekennen, dass sie ähnliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Vor lauter emsigen Treiben bekommt sie gar nicht mit, dass ihr Gatte nun doch erschienen ist. Ein Blick auf Henry reicht, um zu erkennen, dass die Ordnung durcheinander geraten ist. Die Mimik, die Gotthard Hauschild aufgelegt hat, changiert zwischen kleinkindlicher Freude und drohenden Wahnsinn. Von Anfang an legt er ein enormes Tempo vor und wird bis zum furiosen Finale nicht mehr müde, den Eindruck zu vermitteln, als sei er der Herr der verzwickten Lage. Alle zungenbrecherischen Wortkaskaden durchkreuzt er ohne Schiffbruch und er besticht mit der glasklaren Logik des wahngetrübten Hirns. Also kann es losgehen mit dem Tür aufreißen, hektisch auftreten und herumbrüllen, hektisch abgehen und die Tür wieder zuknallen. Egal wie eingeschränkt das Handlungsmuster ist, unter der Regie von Karl-Heinz Ahlers wird es zum großen Spaß. Da die Handlung vorhersehbar ist, ist hier das Ensemble besonders gefordert, damit die Komödie nicht in den Klamauk abdriftet. Das gibt den Darstellern die Chance, das ganz große Besteck auszupacken. In der Inszenierung von Karl-Heinz Ahlers funktioniert dieses wunderbar. Er kann auf zwei wunderbare Hauptdarsteller bauen. Denn Simone Mende steht ihrem Partner in nichts nach. Die Überforderung der Ehefrau, die aus ihrer gesicherten Existenz herausgerissen werden soll, vermittelt sie eindrucksvoll mit Stimme und Mimik. Da wundert es niemanden, dass Jean an diesem Tag mit dem Trinken anfängt. Zum Abschluss dieses Abends in Clausthal-Zellerfeld bekommen beide den Zuschauerpreis 2017 des TfN überreicht. Spätestens mit dieser Leistung haben beide die Auszeichnung bestätigt. Aber auch in den anderen Rollen ist diese Komödie bestens besetzt. Die Überraschung ist Moritz Nikolaus Koch. Ansonsten auf den jugendlichen Stürmer und Dränger abonniert, glänzt er hier in der Rolle des schmier gen und korrupten Sergeant Davenport. Dennis Habermehl ist Henrys Freund Vic Johnson und er zeigt eine wunderbare Verwandlung vom Großmaul zum Angsthasen. Am Ende möchte man den anfänglichen Unsympathen einfach nur in den Arm nehmen. Genauso überzeugend ist die Wandlung seiner Gattin Betty. Michaela Allendorf zeigt eine Frau, die die Chance nutzen möchte, aus dem Allerlei der Vorstadt auszubrechen. Also, wie gesagt, eine Komödie davor zu bewahren in den Klamauk abzugleiten und zwischen all den Schenkelklopfern und der Wortakrobatik noch echte Typen zu zeichnen, das ist eine hohe Kunst. Das TfN beherrscht sie.
 Leine-Deister-Zeitung 29.10.2016 von Ann-Cathrin Oelkers  

Das TFN zu Gast in Gronau mit der Komödie: „FUNNY MONEY“ von Ray Cooney
„Skurille Handlung aber wirkungsvoll“ Bestens aufgelegtes TFN-Ensemble bietet mit FUNNY MONEY turbulenten Theaterabend in GRONAU .
„You can´t always get what you want“ schluchzen die Rolling Stones seit einem guten halben Jahrhundert – man kann nicht alles bekommen, was man sich ersehnt. Und wenn doch? Wenn dieser resignierte Pragmatismus falsch ist? Begleitet von dem wiederholt eingespielten Refrain des Rock-Klassikers ist das bestens aufgelegte Ensemble des Theaters für Niedersachsen (TfN) dieser Frage zwischen Optimismus und Ernüchterung einen turbulenten Theaterabend lang nachgegangen. Der Bühnenstoff, den sich der britische Komödienautor Ray Cooney zusammen-gesponnen hat ist alles andere als fein gewebt. Aber wirkungsvoll. Fast 150 Minuten lang lacht das Publikum über eine skurrile Handlung ohne intellektuellen anspruch, dafür voller schwarzem Humor und jeder Menge Sex & Crime. Die von Karl-Heinz Ahlers insgesamt flott inszenierte Geschichte um vertauschte Aktenkoffer ist rasch erzählt. (...) Ob der bunten Truppe nach dem furiosen Showdown die Flucht aus dem in dem in typisch englischen Pastellfarben gehaltenen Londoner Wohnzimmer (Bühnenbild: Andrea Jensen) nach Barcelona gelingt, muß an dieser Stelle offen bleiben. Nur so viel: Für die Irrungen und Wirrungen des fröhlichen Fluchtversuchs gab es großen Applaus. 

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