Theater „PLAN B“ zeigt in „UBUMANIA“ nach „König Ubu“ die Tyrannei als
Kleinkind-Trieb-Orgie
In der Mitte steht ein Haribo-Thron. Eine kleine Schale mit bunten Leckereien, bewacht durch den Hintern eines großen, behaarten Säuglings. Doch es ist Gefahr im transusigen Verzug. Es gibt einen zweiten Anwärter auf den Thron, der bewaffnet ist. Mit einer dicken Packung Erwachsenenwindeln. Ein Schlag and die Schulter, doch der Andere sitzt fest auf der Schüssel. So scheitert der Angriff des Tena-Terroristen.
Grob erzählt ist das die Handlung der Inszenierung „UBUMANIA“. Wer nun glaubt, das freie Theater „Plan B“ habe es sich einfach gemacht und die naive Kunst neu definiert, der hat nicht Unrecht. Und liegt doch falsch.
Diese Inszenierung nimmt es mit einem Monster auf, im erzählerischen wie im diskursiven Sinne. Ausgehend von dem Theaterstück „König Ubu“ des französischen Autors Alfred Jarry, untersucht sie das Wesen des Despoten. Ubu ist in der Inspirationsvorlage ein Ungeheuer der Willkür, ein Herrscher, der durch Putsch und Machtgeilheit an die Spitze seines Landes kommt. Gleichzeitig ist er der Inbegriff des egozentrischen , bösen Kindes, gefräßig, dekadent und grausam. Eine Stellvertreter-Figur, die in der Groteske angegriffen und gestürzt wird. Doch Ubu hat den Dusel des Dummdreisten.
Diese Parabel auf Allmachts-Fantasien- und Realitäten, niedere Triebe und ideologische Perversionen schälen die beiden Schauspieler Karl-Heinz Ahlers und Thomas Esser unter der Regie von Chris Weinheimer nun auf ihre Idee der bitterbösen Infantilität herunter – in einem Kammerspiel zwischen Sandkasten-Posse, Körper-Sitcom und politischer Parabel.
In nicht mehr als einer Stunde wird das Phänomen des absolutistischen Terrors mit zwei Popo-Patriarchen transparent gemacht, die sich fast durchgängig nur in gurrenden Lautmalereien unterhalten, nasal-französischem Kauderwelsch. Körperlich geht es rund, bis der vermeintlich schwächere Windeltyrann (der grandioseste Blicktrickser seit es die Debilität gibt: Thomas Esser) mit improvisiertem Hitler-Bärtchen den großen Auftritt für sich entdeckt und als demagogisches Mittel miese Witze ins Mikrofon brüllt.
Riesenbaby Nummer eins in Verkörperung von Ahlers scheint im Despotenbusiness zunächst mehr Durchblick zu haben: Es bastelt sich eine Krone aus Frischhaltefolie, die im Vergleich zu der seines Kollegen Künstlertalent vermuten lässt. Es verteidigt das Territorium fast bis zum Schluss, pult behäbig Fusseln aus dem Bauchnabel und weiß das Publikum, sein Volk, mit den besetzten Süßigkeiten einzulullen. Aus oraler und analer Phase ist hier selbstredend keiner rausgekommen. Freuds Kopf scheint grinsend über der Bühne zu schweben, wenn die großartigen Schauspieler den letzten Rest ihrer männlichen Eitelkeit symbolisch in die Windel kacken.
Doch: Unter der komödiantischen Oberfläche dieses klugen Wagnisses lauern die großen Gefahren des menschlichen Wesens. Und wenn man glaubt zu wissen, wie das Monsterbaby läuft, kommt es zum finalen Duell mit zuckersüßem Waffenarsenal – doch zumindest diese Grausamkeit kennt ein Ende. Kein noch genießbarer Schaumkuss musste für diesen Krieg sterben.
Stefanie Drees, "Hildesheimer Zeitung", 20.11.2012
Ubus sind überall
Die freie Theatergruppe Plan B entwickelte aus der Textvorlage eine Polit-Performance, macht dabei das Publikum zum zuschauenden Volk und den Abend damit zum Crashkurs in Tyrannenkunde: „Ubumania“ im Lichthof Theater.
Sehr klug und eindringlich entlarvt „Ubumania“ Diktatoren als zurückgebliebene und triebgesteuerte Männer zwischen Lustprinzip und Machtgeilheit. Ahlers und Esser agieren als infantile Prototypen zum Fürchten gut und zum Brüllen komisch. (...)
Dagmar Ellen Fischer, Aus GODOT "Das Hamburger Theatermagazin"
Despoten in Matsch und Dreck
Das Stück,,Ubumania" zeigt, wie Brabbel-Babys zu machtgeilen Männern werden
Das Finale ist eine Riesensauerei: Zwei fast nackte Männer bespritzen sich mit Sahne und Ketchup, werfen mit Eiern und grünem Wackelpudding nach ihrem Gegenüber – eine
konsequente (aber nicht minder bedauernswerte) Vernichtung von Lebensmitteln. Bis auf dieses effektheischende, fettige und dreckige Ende ist „UBUMANIA“ ein großartiges Theaterstück.Klug entlarvt es die Despoten dieser Welt als zurückgebliebene
und triebgesteuerte Männer zwischen Lustprinzip und Machtgeilheit.
Karl-Heinz Ahlers und Thomas Esser, zwei Schauspieler der Theatergruppe ,,Plan B", legen zunächst ihre Hosen ab und XXL-Windeln an. Sofort werden sie zu Kleinkindern:
Sie kacken und schmatzen, dösen und brabbeln. Auf der nächsthöheren Entwicklungsstufe lernen sie grunzen und spielen, basteln sich eine Krone und erste Worte zurecht - das reicht lässig als Qualifikation zum Alleinherrscher.
Die logische Konsequenz ist dann, den anderen zu quälen, um ihm vom Futternapf fernzuhalten - das - bedeutet Krieg! Und aus den Kindern werden Männer mit Hitlerbärtchen und Gaddafi-Attributen, über die man laut Iachen kann.
D E F "Hamburger Morgenpost"